Je größer die Herausforderungen, umso wichtiger wird die positive Einstellung zur eigenen Gestaltungskraft. Eine energie- und vielfach personalintensive Industrie wie die Gießereiindustrie muss in einer Zeit der geopolitischen Krisen und einer insbesondere in Österreich vorherrschenden überbordenden Inflation Einbußen beim Absatz und eine Erosion bei den Margen, die aus vielfältigen Kostensteigerungen resultiert, verkraften. Insbesondere die im Vergleich zu anderen Wettbewerbsländern hohen Energiepreise und Personalkosten stellen eine besondere und in Einzelfällen auch existenzbedrohende Bürde dar. Dass die Lohnstückkosten gegenüber Deutschland innerhalb von nur 5 Jahren in der österreichischen Industrie um 10 Prozentpunkte höher liegen, muss allen Bürgern dieses Landes, denen der Wohlstanderhalt ein Anliegen ist, ein Alarmzeichen sein. Dennoch, im Vergleich zum Vorjahr blieb die Anzahl österreichischer Gießereibetriebe stabil bei 36. Diese Betriebe erwirtschafteten 2023 mit 6.130 Beschäftigten eine Produktionsleistung von 270.000 Tonnen und einen Umsatz von ca. 1,7 Mrd. €. Die Anzahl der Beschäftigten nahm gegenüber dem Vorjahr leicht ab (-5 %), ebenso die Produktionsleistung (-7 %). Der Umsatz stieg dabei nur leicht (+2,3 %).
Die KV-Verhandlungen im vergangenen Herbst gestalteten sich in diesem Umfeld besonders schwierig. Es war insbesondere die Gießereiindustrie, auf deren Initiative erstmalig eine Wettbewerbssicherungsklausel für wirtschaftlich besonders belastete Betriebe in den KV übernommen wurde. Auch wenn damit nur eine „Schmerzlinderung“ und dies nicht für alle Betriebe, die einen maßvolleren Lohnabschluss ersehnten, am Ende der langwierigen und spannungsgeladenen Verhandlungen stand, zirka 30 % der österreichischen Gießereibetriebe (mit zirka 30 % der Beschäftigten der Branche) konnten diese Erleichterung für sich in Anspruch nehmen. An dieser Stelle, danke ich allen, die aktiv bei den Verhandlungen mitgewirkt haben.
Die wesentlichen wirtschaftlichen Zahlen der Gießereiindustrie für 2023, die im Jahresbericht detailliert ersichtlich sind, zeigen zwar, dass die Produktionsrückgänge der Gießereiindustrie gegenüber dem Vorjahr und in Relation zur gesamten metalltechnischen Industrie und anderen Industriezweigen im guten Durchschnitt liegen.
Bei genauerem Blick ist dennoch ersichtlich, dass über mehrere Jahre nur der Leichtmetallguss eine relativ stabile Entwicklung zeigt, alle anderen Materialtechnologien zeigen teilweise signifikante Rückgänge. Auch die Beschäftigtenproduktivität stagniert über die gesamte Branche seit 2004. Dies mag ein Ansporn sein, hier die Gestaltungskraft, das Augenmerk und die verfügbaren Ressourcen verstärkt agiler Innovation, intensivierter Automatisierung und kluger Digitalisierung zuzuwenden. Dabei sollte es auch keine Scheu, nur kritischen Respekt, vor KI geben, die letztlich im besten Fall eine simulierte Intelligenz sein kann und der wir uns innerhalb unserer Organisationen vielleicht in einem ersten Schritt spielerisch annähern. So wie wir es vor vielen Jahren bei der Entwicklung der in der Gießereiindustrie richtungsweisenden Werkzeugen zur Prozess-Simulation taten. Wir müssen aber auch permanent die Verantwortung der Politik beim Sicherstellen stabiler und wettbewerbsfähiger Energiepreise einmahnen. Und dass Österreich schleunigst die hohe Inflation in den Griff bekommen muss, bevor diese zum echten Killerinstrument verkommt.
Die dringliche Notwendigkeit einer Rückkehr zu einer gemäßigten Lohnpolitik, wie in anderen umliegenden Nachbarländern praktiziert, werden wir auch in den nächsten KV-Gesprächen mit starker Stimme innerhalb der Sozialpartnerschaft artikulieren. Zu sehr ist uns diese besondere und traditionsreiche Gießereiindustrie ein Anliegen, die aus gutem Grund und sehr erfolgreich eine langjährige Kooperation mit einem des größten außeruniversitären Forschungsinstitutes des Landes, dem ÖGI, unterhält.
Ich wünsche Ihnen gutes Gelingen und viel Kraft bei der Bewältigung Ihrer unternehmensspezifischen Herausforderungen, ersuche Sie weiter um gute partnerschaftliche Zusammenarbeit im Rahmen der Berufsgruppe und verbleibe
mit einem herzlichen Glück Auf!
Ihr Bernhard Dichtl