Die Erfahrung lehrt uns, dass jedes Jahr besondere Züge, Herausforderungen und Wendungen bringt, so auch das Jahr 2021 und noch viel mehr die ersten Monate des Jahres 2022. Corona war ebenso in 2021 ein bestimmendes Thema, anders als 2020, aber nicht weniger herausfordernd, da viele Unternehmen zwar eine deutliche Verbesserung der Auftragslage verspürten, diverse Corona-Wellen mit teilweise erheblichen Personalabwesenheiten viele Betriebe forderten, eine plangemäße Produktionstätigkeit aufrecht zu erhalten. 2021 zeigte darüber hinaus unglaubliche Preisanstiege bei Rohstoffen ab der ersten Jahreshälfte und noch stärkere Preisanstiege bei Gas und Strom ab dem Herbst. Dieser Trend hält bis heute an, verstärkt durch die geopolitischen Verwerfungen verursacht mit dem militärischen Einfall Russlands in die Ukraine im Februar 2022. Aus dieser komplexen Gemengelage resultier(t)en neben erhöhter Inflation und Preisauftrieb, auch erhöhte Risiken bei der Versorgung mit Rohstoffen, Vormaterialien oder benötigten Energieträgern. Je nach Branche sind manche dieser Risiken bereits real geworden. Zusätzlich ist die gesamte Wirtschaft nicht nur mit einem Fachkräftemangel, sondern einem umfassenden Arbeitskräftemangel konfrontiert. Wir befinden uns damit in einer Zeit der Mangelwirtschaft, die mit den aktuellen geopolitischen Verwerfungen zusätzlich zu einer unsicheren Zukunftsperspektive führt.
Mit diesem generellen Szenario ist die Gießereiindustrie in Österreich besonders gefordert. Die Gießereiindustrie ist im Regelfall nicht nur energieintensiv, benötigt werthaltige Rohstoffe, beschäftigt besonders viele Menschen in den verschiedensten Qualifikationen, und ist international beziehungsweise global ausgerichtet. Die Gießereiindustrie hat es somit mit multiplen Herausforderungen zu tun. Herausforderungen, die aber auch, insbesondere in einer Zeit der Mängel, Chancen bietet.
Offensichtlich hat die österreichische Gießereiindustrie diese Chancen im vergangenen Jahr aktiv genutzt, da in 2021 bei vielen Gießerei-Unternehmen trotz aller Handicaps ein starkes Lebenszeichen in Form von gestiegenen Aufträgen bei starker Exportorientierung zu vernehmen war.
Eine Herausforderung bleibt mit Sicherheit: die Wettbewerbsfähigkeit global auch zukünftig sicherzustellen. Ungleichheiten (insbesondere bei Arbeitsmarkt, Energie und Bürokratie) zwischen konkurrierenden Regionen (auch innerhalb der EU) stellen hier eine reale Gefahr dar. Hier ist Weitblick und Augenmaß insbesondere innerhalb der Sozialpartnerschaft und beim Gesetzgeber gefordert. Es bedarf aber auch angesichts der aktuellen geopolitischen Verwerfungen (die besonders Europa fordern) und den zusätzlichen besonderen Herausforderungen beim Klimaschutz einen vertiefenden Abgleich zwischen Wirtschaft/Industrie, Politik und Gesellschaft, um zeitgemäße, pragmatische und realistische Lösungen für die Unternehmen mit all ihren Beschäftigten zu erarbeiten, zu entscheiden und umzusetzen.
Das Gießen ist eines der ältesten Fertigungs-Verfahren der Menschheitsgeschichte, und es ist nach wie vor ein modernes Verfahren in Hinblick auf die Formgebung komplexer Bauteile. Insbesondere aus dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft erscheint das Gießen besonders zukunftsfähig. Diese Chancen gilt es verstärkt zu nutzen. Die beschleunigte Nutzung der Digitalisierung kann hier die Vorzüge des Gießens verstärken und zusätzlich zu einer gesteigerten Prozessqualität und –effizienz, aber auch zu erhöhter Arbeitsplatzattraktivität führen.
Die österreichische Gießereiindustrie ist eine kleine, aber sehr stolze Industrie, die sich über viele Jahrzehnte und auch über die vergangenen Jahre sehr robust gezeigt hat. Eine ungewöhnliche Handschlagqualität zeichnet die Akteure der Gießereiindustrie aus. Ich danke allen Ausschussmitgliedern und Kolleginnen und Kollegen in den Arbeitsgruppen für ihr engagiertes Mitwirken zum Wohle der österreichischen Gießereiindustrie, insbesondere in den vergangenen Monaten des Umbruchs nach dem Ableben unseres geschätzten KR Peter Maiwald. Ich bitte Sie, auch zukünftig aktiv an der Gestaltung unserer Rahmenbedingen gemeinschaftlich mitzuarbeiten.
Mit einem herzlichen Glück Auf für 2022
Ihr Bernhard Dichtl